Filme beleuchten Vermächtnis des Schweizer Umweltaktivisten: Kampf um Regenwald ist dreckiger denn je

Bruno Manser setzte sich bis zu seinem Verschwinden für den Schutz des Urwaldes auf Borneo ein. Nun haben seine Nachfolger einen Korruptionsskandal aufgedeckt, der von der Tropeninsel in den Westen reicht – auch in die Schweiz

Von Lory Roebuck, az Medien

Zwischen den üppigen Bäumen steigt ein dichter Nebel auf. Ein Mann schreitet ins Bild, spärlich bekleidet. «Das ist die letzte Aufnahme von Bruno Manser», hören wir eine Stimme sagen. Dann stösst der Schweizer Umweltaktivist weiter in das Dickicht des Regenwaldes vor – und verschwindet für immer, ohne eine Spur zu hinterlassen, genau wie der Nebel. Mit dieser Szene, festgehalten im Jahr 2000, beginnt der neue Dokumentarfilm «The Borneo Case – Bruno Manser lebt weiter». Was folgt, ist der Beweis, dass Mansers Streben, das ihn wohl sein Leben gekostet hat, nicht umsonst gewesen ist. Andere haben seinen Kampf weitergeführt und setzen sich auf der Insel Borneo, wohin Manser der Zivilisation entflohen war, bis heute für den Schutz des Regenwaldes und für die Rechte der indigenen Bevölkerung ein. Lukas Straumann zum Beispiel. Der 47-jährige Historiker ist seit 2004 Geschäftsführer des Bruno Manser Fonds und einer der Protagonisten von «The Borneo Case». Auch für ihn ist die erfolglose Suche nach Manser heute, fast 17 Jahre später, immer noch ein grosses Rätsel. «Der Urwald in Sarawak wirkt wie eine undurchdringliche Masse», erzählt Straumann beim Gespräch in seinem Büro in Basel. «Doch Menschen, die sich dort hindurchbewegen, werden immer von jemandem gesehen. Man kann nicht einfach im Wald verschwinden.»

Mächtige Feinde

Klar ist: Der Schweizer Aussteiger hatte sich mit seinen öffentlichkeitswirksamen Aktionen gegen die Abholzung in der Grossregion Sarawak mächtige Feinde geschaffen. «The Borneo Case» zeigt nun, wie sich Sarawaks langjähriger Regierungschef Taib Mahmud am Tropenholzexport illegal bereichert hat. 90 Prozent des Primärregenwaldes dort – laut Film entspricht das der Fläche von England – wurden über die Jahre zerstört. Taib, der die staatlichen Holzkonzerne privatisierte und übernahm, wurde zum Milliardär. Straumann bezweifelt aber, dass Taib (der Sarawak von 1981 bis 2014 regierte) bei Mansers Verschwinden seine Finger im Spiel hatte. «Bruno Manser war für die Taib-Regierung ein Ärgernis, aber keine Bedrohung. Und man bringt niemanden um, der bloss ein Ärgernis ist.» Das sagt sich Straumann zumindest selbst. «Sonst könnte ich meinen Job nicht machen», lacht er.

Auch UBS verwickelt

Der Historiker hat zusammen mit der britischen Investigativ-Journalistin Clare Rewcastle über Jahre die Finanzflüsse untersucht, die von Taib und von Malaysias Premierminister Najib Razak in den Westen reichen. Eine Spur führte gar in die Schweiz. So soll die UBS Bestechungsgelder in der Höhe von 90 Millionen US-Dollar aus dem Tropenholz-Geschäft gewaschen haben. Eine Anzeige des Bruno Manser Fonds brachte ein Verfahren bei der Bundesanwaltschaft ins Rollen.

In den Finanz- und Korruptionsskandal ist auch Leonardo DiCaprio verwickelt, der eigentlich einen besonders umweltbewussten Ruf geniesst. Doch der Hollywoodstar soll zur Finanzierung seines Kinofilms «The Wolf of Wall Street», den er auch coproduzierte, von Najibs Sohn Geld in Höhe von 60 Millionen Dollar angenommen haben. Das geht aus einer Klageschrift des amerikanischen Justizministeriums hervor, wie Straumann erzählt.
50 Milliarden Dollar beträgt der Wert des in Sarawak gerodeten Holzes, rechnet «The Borneo Case» vor. Die dreckigen Geschäfte, die damit angestellt wurden, könnte nicht mal ein tagelanger Regenwaldschauer reinwaschen. Der Dokumentarfilm macht klar, bei wem diese Profite verbucht werden: bei der indigenen Bevölkerung. «Wir sind mit Land und Wald spirituell verbunden», erklärt Mutang, Bruno Mansers langjähriger Weggefährte beim Stamm der Penan. «Wenn bei uns abgeholzt wird, ist es, als würde jemand in dein Haus kommen und alle deine Sachen stehlen.» Mutang ist der dritte Protagonist von «The Borneo Case». Er lebt heute in Kanada, kehrt im Filmverlauf aber nach Sarawak zurück – und entdeckt dort, wo früher sein Stamm lebte, einen Stausee so gross wie Singapur. Zu jenem Zeitpunkt sind in der Region bereits 12 weitere Staudämme in Planung, alleine der grösste von ihnen hätte die Umsiedlung von 20 000 Indigenen zur Folge. «Die Stauseen werden nicht nur unser Land wegspülen, sondern unsere gesamte Identität», fürchtet Mutang.

Die Rechte der Indigenen

Indigene seien mit ihrem Land besonders eng verbunden, denn es ist ihr einziger Besitz, weiss Lukas Straumann. Unter seiner Leitung hat der Bruno Manser Fonds Sarawak erstmals kartografiert. Die darauf verzeichneten Namen von Flüssen, Hügeln und Tälern, erklärt einer von Straumanns Mitarbeitern, seien Beleg dafür, dass diese Gebiete nicht anonym seien. Dort, wo die Regierung nur Rodungsfläche sieht, sei der Lebensraum von Menschen mit einer Geschichte, mit Rechten.
Nach «The Borneo Case» fällt diesen Herbst auch die Klappe zu einem Kinospielfilm über Bruno Manser (siehe Interview). Lukas Straumann ist überzeugt, dass Mansers Symbolkraft auch heute noch ungebrochen ist: «Wir haben häufig das Gefühl, Entwicklungen gegenüber machtlos zu sein. Das Beispiel Bruno Manser zeigt aber: Mit einer gewissen Beharrlichkeit ist es für jeden möglich, etwas zu bewirken.»
David gegen Goliath

Bruno Mansers Kampf war ein Kampf David gegen Goliath. Seine Nachfolger – Leute wie Lukas Straumann, Mutang und Clare Rewcastle – haben diesen Kampf aufgenommen und konnten inzwischen einen wichtigen Teilsieg erringen: Die neue Regierung Sarawaks hat den Bau des grössten Staudamms abgebrochen und das dort enteignete Land den Indigenen zurückgegeben. «Ein grosser Erfolg», freut sich Straumann.
Bruno Manser mag vor 17 Jahren spurlos verschwunden sein. Doch sein Geist, sein Mut und sein selbstloser Einsatz leben weiter.
The Borneo Case – Bruno Manser lebt weiter (SWE 2017) 78 Min. Regie: Erik Pauser, Dylan Williams. Ab Donnerstag, 11. Mai, im Kino. ★★★★☆

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